Der Hammer und das Kreuz

Eine Untersuchung der Verbindung zwischen Christentum und Marxismus – Mit seinem zügellosen Konsumismus und der Erhebung einer Erlöserfigur ist Weihnachten für viele Menschen des linken Spektrums ein Fluch. Natürlich erstrecken sich diese Gefühle der Entzauberung unter weltlichen und wissenschaftlich gesinnten Linken auf das Christentum und die Religion allgemein. Linke Politik und das Christentum haben jedoch trotz intensiver ideologischer Bedenken auf konfliktarme Weise interagiert und weisen schnittmengen auf.

Während der Marxismus für seine strikten Religionskritiken bekannt ist, beschrieb Marx die „religiöse Not“ als den Ausdruck der wirklichen Not und des Protestes gegen die wirkliche Not. Engels sah die Entstehung des Christentums als Grundschwelle des Widerstands und schrieb: „Das Christentum wurde, wie jede große revolutionäre Bewegung, von den Massen gemacht.“

ChristInnen aus der Arbeiterklasse haben die progressiven Elemente des Christentums aufgegriffen, um Hierarchien und Ungleichheiten innerhalb der Kirchen zu konfrontieren; Sich für Arbeits-, Land- und Wohnungsrechte einzusetzen und gegen Militarismus, Rassismus und Armut vorzugehen. Unter den Protestanten in den späten 1800er und frühen 1900er Jahren, wies der „Social Gospel“ den Weg zu nicht nur individueller, sondern auch sozialer Rettung. Die katholische Arbeiterbewegung predigt weiterhin den Antimilitarismus und den Dienst für die Armen. Einige Christen – darunter auch Thomas J. Hagerty, eine Schlüsselfigur in der Entstehungsgeschichte der Industriearbeiter der Welt (IWW) – haben sozialistische und kommunistische (wenn nicht ausdrücklich marxistische) Ideen in ihre soziale Analyse und politische Praxis eingebunden. Im südamerikanischen Kontext fusionierten Christentum und Marxismus zu einer Befreiungstheologie, die die Armen und Unterdrückten als primäre Akteure ansah, die wirtschaftliche Ausbeutung und die Diktatur, deren Repression und den US-Imperialismus bekämpfte.

Die christliche Amtskirche sträubte sich gegen eine solche Heterodoxie. Im Jahre 1949 erließ das Amt des Papstes Pius XII. ein Dekret, das es den Katholiken verweigerte, sich an Literatur kommunistischer Organisationen zu beteiligen, sie zu unterstützen oder gar zu lesen. Als die Befreiungstheologie einige Jahrzehnte später – von Figuren wie Oscar Romero, dem Erzbischof von San Salvador – verkörpert wurde, erforschte der Vatikan die linke Doktrin. Befreiungstheologie, behauptete Papst Johannes Paul II. 1979, „steht nicht im Einklang mit dem Katechismus der Kirche“. Doch das Verhältnis zwischen Christentum und Marxismus kann nicht einfach auf die Taten der Elite-Feinde zurückgeführt werden. Angesichts der starken Assoziation des Marxismus mit dem Atheismus, der seit langem verbleibenden Ansicht, Religion und Kirchen seien herrschende Klasseninstrumente und sporadischer Gewaltakte der Anhänger beider Seiten gegeneinander, haben die Skeptiker keinen Beweis dafür, daß die beiden Traditionen im Grunde unvereinbar sind.

Einige Denker haben versucht, sich durch einige dieser Spannungen zu arbeiten, mit dem Argument, dass es Gründe für eine Annäherung gibt. Andrew Colliers Buch „Christentum und Marxismus: Ein philosophischer Beitrag zu ihrer Versöhnung“ ist ein solcher Versuch. Collier, der im Jahr 2014 verstarb, versucht nicht, die Bruchlinien zwischen Christentum und Marxismus zu verbergen. In einem besonders wichtigen Kapitel des Buches – mit dem Titel: „Was Christen und Marxisten voneinander lernen können“, verweist er auf den Atheismus des Marxismus, seinen historischen Materialismus und die Frage der Gewaltlosigkeit. Einerseits argumentiert Collier, dass „Marx Atheismus (…) keinen Einfluss auf seinen wissenschaftlichen Sozialismus und keine wesentliche Wirkung auf die sozialistische politische Praxis (hat).“ Er besteht auch darauf, dass es erhebliche Überschneidungen in anderen grundlegenden Fragen gibt, einschließlich der Utopismen: „Sowohl das Christentum mit seiner Doktrin der Unbeständigkeit als auch der real materialistische Marxismus warnen vor übertriebenem Optimismus bezüglich solcher Möglichkeiten menschlicher Gesellschaften: Es wird nie eine perfekte Gesellschaft geben.“

Beide Lager kennen auch eine gemeinsame Bedrohung: Die „Bourgeoisifizierung“. Als reichere Menschen der christlichen Fraktion beigetreten sind, hat das eine soziale Distanz zu gläubigen ArbeiterInnen geschaffen. Die Bemühungen, diesen Trend zu bekämpfen, schreibt Collier:     

„…sollten die Christen dazu bringen, sich den politischen Bewegungen der Arbeiterklasse zu verpflichten, wo immer sie existieren. Sie sollte es tun, weil ihre Sache gerecht ist; Aber diese Verpflichtung würde auch eine heilsame Wirkung haben, die selbstgefälligen Annahmen des Bürgertums gegen die Realität des Arbeiterlebens zu zerstören.“

Collier wütet gegen die Christen, die auf den Fall des Ostblocks reagierten, indem sie „ihren Frieden mit den wiederhergestellten Kapitalisten“ machten und nicht „für eine wirklich klassenlose und gerechte Gesellschaft arbeiteten, wie die nachstalinistischen Regimes sie projektierten, aber nicht liefern konnten“.

Auf der anderen Seite beklagt Collier die „bürgerlichen Bestrebungen“ der sowjetischen „privilegierten Bürokratie“ und beklagt die Unfähigkeit von Staaten, die sich sozialistisch nannten, eine „sozialistische Zivilgesellschaft“ zu schaffen, wodurch sie „vereinzelte Individuen, die einem hochschweren Staat gegenüberstehen, zurückließen“. Sozialisten können hier aus der reflexiven Opposition der Christen zum „totalitären Kommerz“ und dem Widerstand gegen modische Ideen lernen. Collier bekräftigt die Bedeutung der sozialen Kontrolle:

„Ich meine nicht primär die Kontrolle durch die Gesellschaft über Einzelpersonen oder sogar über die Natur, sondern über soziale Kräfte, von der Gesellschaft erzeugte Mächte, die massive und oft verheerende Auswirkungen sowohl auf die Natur als auch auf die Menschen haben, die aber nicht unter dem Kapitalismus kontrolliert werden können. „

Soweit der Marxismus die „Emanzipation der Menschheit von seinen entfremdeten Mächten in Form von Marktkräften“ sucht, sieht Collier einen Verbündeten im Christentum. Beide Doktrinen haben versucht, die Fähigkeit zu beschränken, alles „zu kaufen und zu verkaufen“ („Jesus stürzte die Geldwechsler im Tempel, und Petrus Fluch auf Simon Magus sollte viele amerikanische Evangelisten in Angst vor dem Höllenfeuer versetzen“). Sie können auch als Verbündete im philosophischen Bereich dienen, die sowohl zwischen Liberalismus und Postmodernismus, als auch gegen den von der Marktlogik geförderten „Atomismus“ und die gesellschaftliche Fragmentierung stehen. Sowohl der Marxismus als auch das Christentum können „die Fragmentierung nicht nur der Gesellschaft, sondern auch der menschlichen Person unter dem Kapitalismus“ erklären und ihr entgegenwirken.

Colliers Versuche, den Marxismus und das Christentum in Einklang zu bringen, unterstreichen nicht nur die politischen Möglichkeiten einer Allianz, sondern auch die anhaltende Kluft zwischen den beiden Seiten. Ein Treffen des Hammers und des Kreuzes – Es kann nicht ein weit hergeholtes Weihnachtswunder sein, sondern eine politische Notwendigkeit im Zeitalter Trumps.
Der Beitrag wurde im Jacobin Mag veröffentlicht und von Peter Jüriens übersetzt

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