Das Ergebnis der Mitgliederbefragung bei ver.di, GEW und dem DBB kann Grundlage für eine demokratische Erneuerung bei den Gewerkschaften sein. Es kann! Ob es tatsächlich dazu führen wird hängt davon ab, wie die zukünftige Vorgehensweise bei Tarifabschlüssen sein wird.
Für viele GewerkschafterInnen war das Ergebnis nicht überraschend, aber dennoch hat es für Aufsehen gesorgt. Die Einschätzung vieler gewerkschaftlich Aktiver war, dass die Führung dieses Ergebnis annehmen und es positiv nach außen verkauft würde. Nach dem (für viele enttäuschenden) Tarifabschluss bei der Post waren insbesondere linke GewerkschafterInnen davon überrascht, dass eine Mitgliederbefragung durchgeführt wird. Und noch davon, dass die Basis das Ergebnis der Schlichtung abgelehnt hat. Es hat ganz den Anschein, als wollen die beteiligten Gewerkschaften ihre Mitglieder auf dem Weg bis zum Abschluss besser „mitnehmen“. Ihnen nicht nur das Gefühl geben, sie seien an den Entscheidungen beteiligt, sondern sie tatsächlich beteiligen. Die größte mediale Aufmerksamkeit kam dabei ver.di und dem Vorsitzenden Frank Bsirske zu: Für manche stellt die Mitgliederbefragung einen populistischen Schachzug dar, bei dem es Bsirske darum gehen könnte, auf dem Bundeskongress im September wiedergewählt zu werden, weshalb er in der Wahrnehmung seiner Mitglieder gut dastehen will.
Grundsätzlich ist an dem üblichen Vorgehen bei Tarifabschlüssen der Gewerkschaften nichts auszusetzen. Die Mitglieder der Tarifkommissionen haben eine Basisdemokratische Legitimation: Die Mitglieder eines Betriebs entsenden in die Bezirksgruppen und von dort aus wird in die höheren Gremien entsendet. Dennoch ist eine Befragung aller Betroffenen immer demokratischer. Die involvierten GewerkschafterInnen in den Tarifkommissionen sind oft langjährig in den Gremien. Dort, wie überall anders auch, setzt mit der Zeit eine „Betriebsblindheit“ ein. Tarifauseinandersetzungen haben meist den gleichen Ablauf (Tarifkommission stellt Forderung auf, Arbeitgeber machen Gegenangebot, evtl. kommt es zu Streiks, man einigt sich). Gesellschaftliche Veränderungen drohen dort zu scheitern, da die Tarifkommissions-Mitglieder dazu neigen, Kompromissen zuzustimmen. Daran ist nichts Verwerfliches: Sie sind es ja nicht anders gewohnt und oft ist die Basis auch nicht zu weiteren Streiks zu motivieren. Tut sich aber eine besondere Situation auf, wie eben jetzt im Fall der SuE-Streiks, dann will die Basis von dem üblichen Vorgehen abweichen. Durch die Gewerkschaftsführung selbst wurden sie agitiert und sind nun kämpferisch eingestellt.
Wenn nun zukünftig bei allen Tarifauseinandersetzungen die Basis befragt wird, birgt dies die Chance, dass die Gewerkschaften insgesamt wieder kämpferisch werden. Bewegt man sich in Gewerkschaftskreisen hört man allzu oft, dass die Ehrenamtlichen von den „Gewerkschaftsbürokraten“ und deren Kompromissbereitschaft enttäuscht sind. Die Befragungen würden die Basis mitnehmen und es würde immer dann weiter gekämpft werden, wenn die Bereitschaft dazu besteht. Stimmt die Basis positiv für die Einigung gäbe es keinen Nachteilgegenüber dem Abschluss ohne vorherige Befragung.
Generelle Befragungen der Basis vor Tarifeinigungen wären eine Chance ohne Risiko!
Ob die Gewerkschaften dieses Instrument als Standard einführen werden bleibt abzuwarten. Für die Rückkehr zu kämpferischen Arbeitnehmervereinigungen wäre es hilfreich und sinnvoll.
Dave Koch
Wittlich, 18.08.2015
Stv. Gesamtbetriebsrats-Vorsitzender Globus Fachmärkte GmbH & Co. KG
Mitglied des ver.di-Landesvorstand Rheinland-Pfalz Saarland, Fachbereich 12, Handel
Eine Antwort
Dein Beitrag weist in die richtige Richtung! Eine gute Arbeit kann nur mit der Beteiligung der Basis gemacht werden. Es gilt, bestehende Strukturen daraufhin zu überdenken und nach Möglichkeit entsprechend zu verändern.