Rechte versuchen Umweltbewegungen zu unterwandern – Im Gespräch mit Yannick Passeick

Hambacher Forst, Foto: Sarah Riemel

Die Umwelt– und Klimaschutzbewegung gilt in Deutschland als links und progressiv. Doch auch rechte Gruppen schreiben sich Umweltschutz auf ihre Fahne. Yannick Passeick von der Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN) hat mit uns über rechte Gruppen und ihre Ideen im ökologischen Bereich gesprochen.

Die Freiheitsliebe: Du schreibst: „Umweltpolitik und ökologisches Denken sind oft mit alternativen Lebensweisen und einem emanzipatorischen Demokratieverständnis verbunden.“ Ist diese Annahme falsch?

Yannick Passeick: Nein, diese Annahme trifft größtenteils durchaus zu, ist aber eben nur bedingt richtig. Oft werden die genannten Bereiche miteinander verbunden und sind in dieser Verbindung auch deutlich sichtbar. Doch es gibt eben auch Menschen, die sich für Natur- und Umweltschutz interessieren, aber ein emanzipatorisches Demokratieverständnis entschieden ablehnen. Dort finden sich vor allem völkische, rassistische und biologistische Argumentationen als Begründung für das ökologische Denken. Das können sich viele Menschen, die der oben zitierten Annahme nachhängen, überhaupt nicht vorstellen und geben Anhängerinnen und Anhänger rechter Ideologien somit „Spielraum“ zu agieren. Daher sollte man schon genau hinsehen, wie Positionen und Forderungen im Natur- und Umweltschutz begründet werden.

Die Freiheitsliebe: Welche rechten Akteure versuchen denn mit Umwelt- und Naturschutzthemen zu punkten?

Yannick Passeick: Einmal gibt es die rechtsextremen Parteien wie die NPD oder Der Dritte Weg, die mit Parolen wie „Umweltschutz ist Heimatschutz“ werben, gegen Gentechnik und Atomkraft sind und sich für die ökologische Landwirtschaft stark machen. Außerdem werden Umwelt- und Naturschutzthemen in „neu-rechten“ Bewegungen wie der „Identitären Bewegung“, dem Netzwerk „Ein Prozent“ und im Umfeld des „Instituts für Staatspolitik“ bespielt. Auch völkische Bünde wie der „Sturmvogel“ oder einzelne extrem rechte Burschenschaften sorgen sich bei ihrem Einsatz für das Vaterland sehr um die Natur. Die Bandbreite der Akteure weist darauf hin, dass Natur- und Umweltthemen für die gesamte Rechte relevant sind.

Die Freiheitsliebe: In der Broschüre heißt es, dass schon in Zeiten des Kaiserreichs die Rechte sich dem Thema angenommen hat, gibt es eine Kontinuität?

Yannick Passeick: Die erste deutsche Naturschutzbewegung war die „Heimatschutzbewegung“ gegen Ende des 19. Jahrhunderts. In ihr wurde der Schutz der Natur mit dem Schutz der Heimat und damit auch des Volkes verbunden. Man ging von einer natürlichen Verbindung von Menschen und ihrer Landschaft aus und wollte durch möglichst wenige Eingriffe in die romantisch verklärte Natur das deutsche Volk vor Schaden bewahren. Damals fand sich auch eine starke Abneigung gegenüber verschmutzten und multikulturellen Großstädten und der Wunsch nach einem naturnahen Agraridyll. In verschiedenen Ausformungen völkischer Bewegungen, Teilen der Lebensreformbewegung und nicht zuletzt der Nationalsozialisten mit ihren institutionellen Weichenstellungen, wie dem ersten Reichsnaturschutzgesetz von 1935, lässt sich also durchaus eine Kontinuität feststellen. Wenn heute Gruppierungen „Umweltschutz ist Heimatschutz“ skandieren, beziehen sie sich auf diese historischen Vorläufer.

Die Freiheitsliebe: Sind rechte Gruppen wie die Identitären denn auch an Protesten beteiligt oder versuchen sie eigenständige Aktionen durchzusetzen?

Yannick Passeick: Insbesondere die Identitären setzen stark auf Bilder aus eigenen Inszenierungen. Bei denen muss alles mit dem Corporate Design übereinstimmen, daher passt ein Anschluss an Proteste generell nicht gut zur Arbeit der Bewegung. Insgesamt kann man sagen, dass die sogenannten „Neuen Rechten“ darum bemüht sind, Kooperationen im eigenen Lager einzugehen und so Aktionen durchzuführen. Im neonazistischen Spektrum sieht das allerdings anders aus. Der Dritte Weg hat sich öffentlich mit den Protesten im Hambacher Wald solidarisiert und es gibt immer wieder Fälle, in denen NPD-Mitglieder versuchen, lokale Initiativen zu unterwandern. Auch bei der jährlichen Demo für eine Agrarwende in Berlin („Wir haben es satt“) gab es schon Versuche rechter Gruppierungen, sich in Szene zu setzen.

Die Freiheitsliebe: Ein Blick auf die AfD zeigt, dass Umweltschutz allerdings nicht für die gesamte Rechte ein Thema ist, warum positioniert sich die Partei so deutlich anders als IB und NPD ?

Yannick Passeick: So deutlich anders ist das bei genauerem Hinsehen gar nicht. Die AfD hat zwar keine nennenswerten Konzepte für den Natur- und Umweltschutz und macht damit auch in der Tat fast keine Wahlwerbung. Aber in einem Punkt überschneiden sich ihre Ansichten mit dem restlichen extrem rechten Spektrum: Sie halten den anthropogenen Einfluss auf den Klimawandel, oder auch den Klimawandel an sich, für eine Lüge. Umweltschutz ist für sie Teil eines globalen Regimes, welches die Souveränität der Völker unterdrücken würde[1]. Es lässt sich allerdings auch bei der AfD beobachten, dass sie sich naturschutzpolitischer Argumente bedient, wenn es gegen den Bau von Windkraftanlagen geht. In dem Fall sind die Vögel und Bäume, die in Mitleidenschaft gezogen werden, und ebenso die ästhetische Komponente der deutschen Landschaft von großer Bedeutung. Warum sich die AfD aber generell so wenig mit dem Themenkomplex beschäftigt, liegt wohl eher an der eurokritischen und wirtschaftsliberalen Gründungszeit, die vom migrationsfeindlichen Kurs abgelöst wurde. Je nachdem, wohin sich die Partei entwickelt, könnten die Themen Umwelt- und Naturschutz durchaus eine größere Rolle spielen. Nach Analysen des Soziologen Andreas Kemper schrieb zum Beispiel Björn Höcke schon vor Jahren unter dem Pseudonym „Landolf Ladig“ über rechte Ökologie und das Ziel, die Postwachstumsökonomie identitär zu gestalten. [2]

Die Freiheitsliebe: Welche Möglichkeiten gibt es für progressive Kräfte Umweltproteste frei zu halten von rechten Einflüssen?

Yannick Passeick: Zunächst müssen sich progressive Kräfte des Problems überhaupt bewusst werden. Das geht nur durch Aufklärung und Information. Dann gibt es die Möglichkeit sich in Bündnissen auf einen Aktionskonsens zu einigen, der rassistisches und menschenverachtendes Gedankengut und Verhalten konsequent ablehnt und nicht duldet. So hat man im Zweifel eine Handhabe, entsprechende Personen oder Gruppierungen vom Protestzug zu entfernen. Neben einer Ablehnung hilft auch immer ein positives Bekenntnis zu Vielfalt, Toleranz und Weltoffenheit. Da fällt es rechten Gruppierungen schwerer, Anknüpfungspunkte zu finden. Und nicht zuletzt sollten sich progressive Kräfte auch immer wieder selbst hinterfragen, welche Bilder sie reproduzieren, wo möglicherweise ein Einfallstor für völkisches Gedankengut bestehen könnte und wie man dagegen steuern kann.


Die Freiheitsliebe: Danke dir für das Gespräch.
Yannick Passeick ist Bildungsreferent bei der Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN). FARN ist ein gemeinsames Projekt der NaturFreunde Deutschlands und der Naturfreundejugend Deutschlands und bietet Information, Qualifikation und Beratung an der Schnittstelle zwischen Natur- und Umweltschutz und Rechtsextremismus an.

[1] https://www.klimareporter.de/deutschland/sechs-seiten-bloedsinn

[2] https://andreaskemper.org/2016/01/09/landolf-ladig-ns-verherrlicher/


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