An Nikolaus verhinderten mehrere hundert Studierende in Köln einen Auftritt des AfD Abgeordneten Marcus Pretzell. Der Kölner Studierendenverband der Linkspartei veröffentliche eine Stellungnahme zu den Ereignissen, zu der sie sich genötigt sahen, nachdem die lokale Presse „eine völlig verzerrte Gruselversion“ der Ereignisse veröffentlichte. Wir dokumentieren an dieser Stelle die Erklärung.
Nachdem in vielen Zeitungen, allen voran, dem Kölner Stadtanzeiger, eine völlig verzerrte Gruselversion der Ereignisse am 6.12 veröffentlicht wurden, sehen wir es als dringend notwendig eine Gegendarstellung zu veröffentlichen. Vorab möchten wir uns bei allen Studierenden bedanken, die sich an den friedlichen Protesten gegen die AfD beteiligt haben. Eine Mobilisierung gegen das rassistische Gedankengut ist aus unserer Sicht notwendig. Die AfD sollte niemals einen Platz in der Universität bekommen.
Was im Vorfeld geschah
Für den 06. Dezember wurde von der „Kölner Studierendenzeitung“ eine Podiumsdiskussion zu den Landtagswahlen 2017 organisiert. Hier sollten Abgeordnete der wichtigsten Parteien für diese Wahlen, unter anderem auch die AfD, die Möglichkeit bekommen, ihre Positionen darzulegen. Daraufhin schlossen sich verschiedene (Hochschul-)Gruppen zu einem Bündnis zusammen. Auf Wunsch vieler Studierender, mit denen das Bündnis in Kontakt stand, wurde im Vorhinein versucht, die Kölner Studierendenzeitung zu einer Ausladung des rassistischen AfD-Vertreters Pretzell zu bewegen, diese hielt aber an ihrer Entscheidung fest.
In einem Facebook-Kommentar vom 17. November 2016 nahm die „Kölner Studierendenzeitung“ Stellung zu der geforderten Ausladung und stellte dar, dass es zwar auch innerhalb der Redaktion unterschiedliche Meinungen zu der Einladung der AfD gäbe, diese sich dennoch geschlossen entschloss, auch der AfD die Möglichkeit zu bieten sich zu äußern. Für das Bündnis war dies keine befriedigende Antwort, sodass es sich entschied, eine friedliche Kundgebung vor dem Hauptgebäude der Universität zu Köln zu geben. An der Protestaktion vor der Universität beteiligten sich etwa 300 Studierende. Außerdem gab es Reden verschiedener Gruppen und es wurden rote Karten verteilt, die man in der anschließenden Podiumsdiskussion bei – zu erwartenden – rassistischen Ausrutschern Marcus Pretzells hochhalten wollte, um die eigene Unmut über seine Redebeiträge zu äußern.
Ja zur Podiumsdiskussion, nein zur Normalisierung der rassistischen AfD
Im Vorhinein hatten wir uns als Bündnis gegen eine Blockade entschieden. Ziel der Kundgebung und der Mobilisierung war es, Studierenden die Möglichkeit zu bieten, ihre Meinung friedlich über die AfD und Marcus Pretzell kundzutun. Wir als SDS sind der festen Überzeugung, dass eine Podiumsdiskussion zu den Landtagswahlen in NRW ein wichtiges Instrument zur politischen Bildung darstellt. Gerade aus dieser Position heraus, ist es sehr Schade, dass sich die „Kölner Studierendenzeitung“ mit dem Festhalten an Marcus Pretzell selbst ins Bein geschossen hat. Jedoch sollten menschenverachtenden Parteien kein Platz zur Hetze geboten werden. Grundsätzlich lässt sich aber festhalten, dass wir als SDS die Meinung vertraten, dass die Veranstaltung stattfinden, aber den rassistischen Äußerungen der AfD keine Bühne geboten wird.
Die Einladung der AfD führt zu einer Normalisierung der AfD und stellt sie auf eine Ebene mit anderen Parteien. Das alles obwohl In der AfD Nationalkonservativen mit Rechtsradikalen und Neofaschisten Hand in Hand arbeiten. An vielen Orten in Deutschland ist die AfD inzwischen sogar das Zentrum der extremen Rechten. Zum anderen wird der Diskurs, je öfter man der AfD eine Bühne bietet, von den Landtagswahlen immer mehr auf die AfD verschoben, sodass man kaum sich ernsthaft mit den Inhalten der anderen Parteien beschäftigen kann.
Ausschluss der AfD – Angriff auf Demokratie und Meinungsfreiheit?
Viele Menschen, auch im universitären Umfeld, argumentieren, dass es ein Angriff auf die Demokratie sei, eine Partei aus dem demokratischen Diskurs auszuschließen und dass man die AfD durch scharfsinnige Argumentation und kritische Nachfragen entlarven solle. Das wäre wunderbar, wenn es denn funktionieren würde. Der AfD wird überdurchschnittlich viel mediale Aufmerksamkeit zuteil. Zahlreiche Reden, Talkshowauftritte, Zeitungsartikel in denen die AfD wahnwitzige, rassistische Äußerungen tätigt. Die AfD provoziert bewusst mit ihren Aussagen, kreiert mediale Aufmerksamkeit durch skandalöse Statements und rudert dann teilweise zurück. Oder auch nicht. Was passiert? Es gibt zwei Tage einen Aufschrei, es wird diskutiert und argumentiert, aber im Endeffekt scheint es der AfD nichts anhaben zu können. Wir glauben nicht, dass dies am mangelnden Scharfsinn erfahrener Journalist*innen liegt und wir glauben nicht, dass es helfen wird, wenn man abermals versucht die AfD zu entlarven – dies aber letztlich nicht gelingt.
Demokratie muss für alle sein
Auch ist es schön, wenn man nur auf einer abstrakten Ebene argumentiert. Da steht das Ideal der Demokratie vor uns, welches nun uns als Linken vorgeworfen wird, untergraben zu wollen. Nur weil die AfD demokratisch ihre Posten vergibt und nicht offen gegen die parlamentarische Demokratie ist, heißt es nicht, dass sie wirklich demokratisch ist.
Demokratie bedeutet für uns Mitsprache für alle Menschen, abgesehen von ihrem Äußeren, Berufsstand, ihres Geschlechtes, ihrer Ability, und so weiter. Das möchte die AfD nicht.
Konrad Adam diskutierte kürzlich öffentlich, ob nicht das Wahlrecht für Menschen, die nicht erwerbstätig sind, abgeschafft soll. Große Teile der AfD sehen Frauen an Heim und Herd und nicht im öffentlichen und somit politischen Leben und von Ausländer*innen müssen wir erst gar nicht anfangen. So will die AfD viele Menschen aus dem politischen Diskurs ausschließen. Das ist nicht demokratisch!
Die AfD und ihr Opfernarrativ
Vielfach wurde uns vorgeworfen, der AfD zu ermöglichen, sich jetzt als Opfer darzustellen. Das musste sie gar nicht, weil schon viele andere Menschen in Diskussionen in den sozialen Medien die Protestierenden zum Täter gemacht hatten und uns vorgeworfen wurde, die AfD mundtot machen zu wollen. Frei nach dem Motto „das werden die doch noch mal sagen dürfen.“ Besonders die Liberale Hochschulgruppe (LHG) bediente sich sehr rege dieser Argumentationsstrategie, und nahm die Demonstration zum Anlass, einen Antrag zur Auflösung des Antifa AK ans Studierendenparlament zu stellen. Dies ist nicht nur symbolisch ein falscher Schritt in Zeiten des Rechtsrucks, es ist schlicht brandgefährlich.
Parteien müssen Alternativen bieten
Andere Parteien, Gruppen und politische Organisationen müssen dafür sorgen, dass es eine Alternative gibt. Sie müssen da ansetzen, wo Rassismus entsteht und ihn nicht noch schüren. Ein großer Punkt, den Wähler der AfD immer wieder nennen, ist die Machtlosigkeit und das Gefühl nicht an demokratischen Prozessen partizipieren können. Wenn Parteien wie zum Beispiel die SPD daraufhin systematisch eine klare Positionierung ihrer Mitgliederbasis gegen TTIP übergeht, dann trägt das nur zu einer Verfestigung dieses Gefühls bei. Daran müssen wir was ändern. Rassismus zulassen müssen wir deshalb trotzdem nicht. Wir sagen weiterhin: Nein zur AfD! Wir haben eine gesellschaftliche Verantwortung und wollen nicht zusehen, wie die Stimmung in diesem Land zunehmend umkippt und von Hass geprägt wird. Wir freuen uns, dass so viele Studierende mit uns aufgestanden sind und Zivilcourage gezeigt haben. #dankeantifa #dankestudis
Was Dienstagabend geschah oder auch „die Mär vom Bühnensturm“
Nach der Kundgebung auf dem Albertus sind wir mit Transpis, bunten Schildern und Trillerpfeifen mit etwa 300 Menschen ins Hauptgebäude gezogen und haben mit Parolen wie „Nationalismus raus aus den Köpfen“ unseren Protest zum Ausdruck gebracht. Dass es sich um keine Blockade handeln konnte, wurde schon dadurch sichtbar, dass wir uns nur vor eine Tür gestellt haben und nun auf den Einlass warteten. Die Masse war absolut friedlich und hat die roten Karten gegen Rassismus hochgehalten, die wir im Vorhinein verteilt hatten.
Absage der Veranstaltung schon vor Betreten des Saales klar
Nach einiger Zeit hieß es, man solle bitte die Jacken an der Garderobe abgeben, weil man sonst keinen Einlass erhalten würde. Dieser Bitte ist der Großteil der Demonstrierenden auch nachgekommen. Mittlerweile standen in etwa 400 Menschen vor der Tür und warteten auf Einlass. Wenig später, wir warteten immer noch, wurden wir von Özlem Alev Demirel, Landessprecherin der Linken, die extra angereist war um auf dem Podium zu sitzen und gemeinsam mit uns noch vor der Tür stand und auch nicht in den Saal gelassen wurde, informiert, die Veranstaltung sei abgesagt worden, weil es zu einer Rangelei gekommen sei. Nun hatte die private Sicherheitsfirma Bedenken geäußert und vorsorglich die Debatte abgesagt. Anders, als das Bild, das in den Medien gezeichnet wurde, verlief der Protest sehr friedlich. Es gab auch keinerlei Blockaden, die zu einer Absage der Veranstaltung führten. Einige Minuten später wurde tatsächlich von einem Mitarbeiter der Universität zu Köln verkündet, dass die Veranstaltung nicht stattfinden könne. Auch die Aussage, dass alle Abgeordneten unter Schutz aus dem Raum gebracht wurden, ist nicht haltbar. Özlem Alev Demirel, der der Eingang verwehrt wurde, setzte sich noch einige Minuten zu den Demonstranten und sprach mit ihnen.
Friedliche und erfolgreiche Kundgebung im Veranstaltungssaal
Etwa 10 Minuten nach der offiziellen Absage durch das Universitätspersonal, ließ die Universität alle vor der Tür stehenden in den Veranstaltungssaal eintreten mit den Worten: „Ihr dürft gerne hier noch weiter demonstrieren.“ Es waren also keine 50 „Autonome“, die die Bühne stürmten; der Großteil der Demonstrierenden waren Studis der Universität, die den Rassismus der AfD nicht akzeptieren wollten. Unseren Schätzungen zufolge waren etwa 300 Studierende im Raum, die klatschten und lautstark protestierten. Weitere 50-100 standen noch draußen vor der Tür. Es gab nahezu keine Person, die unabhängig von der Gegenkundgebung gekommen war.
Unser Eindruck war, dass die Studierendenzeitung wenig Erfahrung mit solchen Formen des Protestes hat, und es aufgrund dessen Schwierigkeiten hatte, die Situation einzuschätzen. Auch können wir verstehen, dass es sich erst einmal bedrohlich anhört, wenn hunderte Menschen in einem hallenden Flur „Nein zur AfD“ rufen. Die Sicherheitsbedenken, die geäußert worden sind, teilen wir jedoch in keiner Weise. Dies war ein friedlicher Protest, dem sich viele Menschen angeschlossen haben.
Für uns ist die Aktion ein großer Erfolg – wir konnten viele Studierende mobilisieren, die das rechte, rassistische Gedankengut der AfD nicht schweigend hinnehmen wollen und die schiere Masse an Menschen, die gegen die AfD waren, hat im Endeffekt zur Absage der Veranstaltung geführt. Das gibt Hoffnung, dass es doch noch viele Menschen gibt, die nicht so denken. Vielleicht sind sie nur nicht ganz so laut.