Der ÖPNV ist neben dem Rad- und Fußverkehr ein elementarer Bestandteil für eine gelungene Verkehrswende. Trotzdem ist von einer Förderung des Nahverkehrs in deutschen Städten wenig zu sehen. Mit ihrem Konzept legt die Verkehrsinitiative Einfach Einsteigen in Bremen eine Lösung vor, die den Nahverkehr massiv verbessert und zudem Tickets überflüssig macht.
Um dem Ziel einer Verkehrswende näher zu kommen und Menschen zum Umstieg vom Auto auf den Nahverkehr zu bewegen, bedarf es einer massiven Verbesserung des ÖPNVs in deutschen Städten. Ein solcher Fortschritt würde Vorteile für den sozialen, den klima- und verkehrspolitischen Bereich, sowie für die Wirtschaft bringen. Damit aber tatsächlich etwas passiert, braucht es konkret ausgearbeitete Modelle, die neben dem Ausbau und der Verbesserung des Nahverkehrs, die Ressourcen der Stadt und der Verkehrsunternehmen mit in die zukünftige Planung des neuen Nahverkehrssystems einbeziehen. Ein solches Modell, welches noch dazu auf Tickets verzichtet, hat Einfach Einsteigen für die Stadt Bremen entwickelt.
Hintergrund für die Erarbeitung des Nahverkehrskonzepts ist die schlechte Ausgangslage des ÖPNVs in Bremen. Nur 17 Prozent aller Fahrten werden in der Hansestadt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt, was auf einen schlecht ausgebauten Nahverkehr hindeutet. Vor allem im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten. Gründe hierfür sind unter anderem die schlechte Anbindung außerhalb liegender Stadtteile sowie schlechte Anbindungen abseits der Hauptverkehrszeiten.
Die Folgen der jahrelangen Vernachlässigung des Nahverkehrs in der Hansestadt zeigen sich besonders in der zunehmenden Zahl von Pendlerinnen und Pendlern, die mit dem Auto in die Stadt kommen und regelmäßig Staus rund um Bremen verursachen. Daher hat Einfach Einsteigen es sich zum Ziel gesetzt, Bremens Nahverkehrsnetz auszubauen und zu verbessern. Um in Zukunft mehr Menschen den Umstieg vom Auto auf den Nahverkehr zu ermöglichen, hat die Verkehrsinitiative über ein Jahr ein Konzept recherchiert, ausgearbeitet und mit Fachleuten diskutiert, welches es ermöglicht, den ÖPNV in Bremen zu verbessern und gleichzeitig auf Tickets zu verzichten.
Wie funktioniert das Konzept?
Das Einfach-Einsteigen-Konzept sieht grundsätzlich die Verbesserung des Nahverkehrsangebots auf quantitativer und qualitativer Ebene vor. Dazu gehört der Ausbau des ÖPNV und die Stabilisierung des Netzes etwa durch den Bau neuer Linien und Haltepunkte der Busse, Straßenbahnen, aber auch der Regio-S-Bahn. Gleichzeitig soll die Aufenthaltsqualität in den Fahrzeugen verbessert werden und es wird vollständig auf Tickets verzichtet, um die Zugangshürde zum Nahverkehr zu reduzieren.
Die im Basiskonzept neu strukturierte Finanzierung des Nahverkehrs basiert auf einer paritätischen Umlage, die den Betrieb und Unterhalt des Nahverkehrs gewährleistet. Die eine Hälfte wird von allen volljährigen Bremerinnen, Bremern, Pendlern und Pendlerinnen geleistet, die 19,76 Euro im Monat bezahlen. Für Menschen mit geringem Einkommen (unter 1.140 Euro pro Monat) gilt ein monatlicher Beitrag von 10 Euro, außerdem beteiligen sich Touristinnen und Touristen mit 3 Euro pro Übernachtung. Die andere Hälfte zahlen Unternehmen mit einer Gewinnumlage von 3,23 Prozent und Fernverkehrsunternehmen des Bus- und Flugverkehrs, welche pro beförderter Person 0.70 Euro bei An- und Abreise bezahlen.
Durch die Einführung der neuen Finanzierungsstrategie fallen die bisherigen Zuschüsse Bremens an die Verkehrsunternehmen weg, die sich auf eine Höhe von 75 Millionen Euro pro Jahr belaufen. Diese frei werdenden Mittel werden in Zukunft für den Ausbau des Netzes, die Anschaffung neuer Fahrzeuge und den Bau zusätzlicher Haltepunkte sowie in weitere Infrastruktur investiert.
Neben dem Ausbau des Nahverkehrs müssen auch der Rad- und Fußverkehr gestärkt werden, um die Verkehrswende erfolgreich voranzutreiben. Dies soll allerdings aus anderen Mitteln, wie beispielsweise einer flächendeckenden Parkraumbewirtschaftung, gewährleistet werden.
Welche Vorteile bringt das Konzept?
Das Verkehrswendekonzept von Einfach Einsteigen bringt Vorteile auf vielen Ebenen. Diese zeigen sich besonders im Bereich Klimaschutz – hier wird die zukünftige Steigerung der Nutzerzahlen des ÖPNVs und die Reduktion des PKW-Verkehrs eine Verringerung der Luftverschmutzung und einen geringeren Ausstoß von CO2 mit sich bringen. Auch weitere Abgase und der Verkehrslärm werden durch weniger Autos in der Stadt deutlich reduziert.
Für soziale Aspekte birgt die Umsetzung des Konzepts Pluspunkte, da einkommensschwache Haushalte und Familien durch die Verringerung der Kosten des ÖPNVs in Zukunft deutlich entlastet werden und für Kinder bis 18 Jahre gar keine Abgabe gezahlt werden muss. Finanziell Schwache haben es somit leichter, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben, da sie durch den Wegfall der Tickets leichter die Bahn nutzen und weiter entfernte Aktivitäten besuchen können. Studien aus anderen europäischen Städten zeigen darüber hinaus, dass sich der Suchradius Arbeitssuchender vergrößert und sich so ihre Chancen am Arbeitsmarkt verbessern.
Für den verkehrspolitischen Bereich beinhaltet das Modell in Zukunft vor allem für Fußgängerinnen, Fußgänger, Radfahrer und Radfahrerinnen Vorteile, da weniger Autos mehr Sicherheit bedeuten. Auch die regelmäßigen Staus werden durch eine Verkehrswende verringert, sodass der Wirtschaftsverkehr besser fließen kann und Menschen entspannter zur Arbeit kommen können. Auch Sanktionen wegen Schwarzfahrens, die bis zur Erzwingungshaft reichen können, werden durch das fahrscheinfreie System zukünftig nicht mehr benötigt. Und auch der Einzelhandel profitiert, da die Fahrt in die Innenstadt nun keine Kosten mehr verursacht. Wissenschaftlich müsste ein solches Projekt intensiv und längerfristig begleitet werden, da Bremen zur Vorzeigestadt für die Verkehrswende in Deutschland werden würde.
Aktuell wird das Konzept von der Stadt Bremen begutachtet. Nach einem Beschluss braucht es eine Vorlaufzeit von etwa 2-4 Jahren, die dafür genutzt werden muss, um neue Fahrzeuge zu beschaffen, weiteres benötigtes Personal einzustellen und neue Routen in Bremen zu planen.
Währenddessen verfolgt Einfach Einsteigen weitere Projekte, um ihre Ideen einer Verkehrswende weiter an die Öffentlichkeit zu tragen und die politische Diskussion zu verstärken.
Ein deutschlandweites Konzept für die Zukunft?
Das Ziel von Einfach Einsteigen ist es, ihr Konzept für den ÖPNV nach der erfolgreichen Einführung in Bremen auch bundesweit populärer zu machen. Die Situation des Nahverkehrs ist zwar überall unterschiedlich, aber Verbesserungen braucht es fast überall. Auch international vernetzt sich die Verkehrsinitiative und möchte Vorbilder aus dem Ausland in Deutschland bekannter machen: so ist für das Frühjahr nächsten Jahres eine internationale Konferenz geplant, die den Austausch über Deutschland hinaus möglich macht.
Für Interessierte gibt es die Möglichkeit, sich für den Newsletter der Verkehrsinitiative anzumelden. Um ihr Konzept stetig weiterzuentwickeln, ist Einfach Einsteigen immer auf der Suche nach neuen Kontakten und beantwortet gerne noch offen gebliebene Fragen zum Thema Nahverkehr. Die Arbeit von Einfach Einsteigen basiert auf Spenden und kann unterstützt werden.
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