Der Herbst von SYRIZA

Protest in Griechenland

Die größte Krise des Kapitalismus wurde zehn Jahre alt. Dennoch besteht Alexis Tsipras darauf, dass sich der Ausweg in der Anpassung an die neue „Normalität“ finde. Panos Garganas erschließt Antworten von links.

Der Herbst beginnt traditionell politisch mit der Internationalen Messe von Thessaloniki (IMT), der Rede des Premierministers und der Anwesenheit der politischen Köpfe, die folgen. Dieses Jahr hat sich Alexis Tsipras der traditionellen Form so sehr angepasst, dass er seinen Auftritt auf der IMT zu einem zentralen Element der Regierungsbemühungen gemacht hat: Er tritt einleitend auf, um die „Vertreter der produktiven Klassen“ zu treffen, er kombiniert seine Rede auf der IMT mit dem Besuch des französischen Präsidenten Macron und hofft, mit solchen klassischen Tricks der alten politischen Welt die Botschaft eines Übergangs zur „Normalität“ zu übermitteln: Der Ausweg aus den Memoranden nähert sich, das Wachstum kommt, SYRIZA wird dafür sorgen, es gerecht zu bewerkstelligen, wir sind auf dem Weg zu einem Frühling…

Die Wirklichkeit zeigt aber das Gegenteil- eine SYRIZA, die in der grauen Normalität einer Krise versinkt, die nicht enden will und die sie immer mehr nach rechts zieht, im Konflikt mit den Leuten, die nicht nur weiter gegen die Memorandumsangriffe kämpfen, sondern auch gegen den internationalen Anstieg der rassistischen und faschistischen Bedrohung. Zehn Jahre nach dem Ausbruch der größten Wirtschaftskrise sind die Leute gezwungen, an allen Fronten zu kämpfen, vom einen Ende zum anderen. Die sogenannte „Normalität“ reicht von den Barbareien der dritten Überprüfung durch die Troika hier bis zu Toten beim Kampf gegen die Neonazis in Trumps Amerika.

Die Notwendigkeit für eine Linke, die sich mit all dem nicht abfindet, sondern kämpft und einen alternativen Ausweg sucht, wird immer dringlicher.

Zehn Jahre Krise

Es war ein Sommer im Jahr 2007, als die Blasen im amerikanischen Bankensystem zu platzen anfingen, was den Beginn der Krise markierte, die sich auf den ganzen Planeten ausbreitete. Der Jahrestag wurde nirgendwo mit dem Selbstvertrauen und dem Optimismus begangen, dass all das hinter uns wäre. Anderswo gab es verlegenes Schweigen, und woanders Bilanzen voller Beunruhigung wegen des Verlaufs. Gar keine Regierung, gar keine Zentralbank und gar kein Stab war und ist in der Lage, eine klare Antwort zu geben auf die Frage: Warum kann die Weltwirtschaft nach so vielen Jahren, so vielen Rettungen und so viel „quantitativer Lockerung“ keine zufriedenstellenden Wachstumsraten erzielen und warum sind die Risiken eines neuen Rückfalls so erhöht?

Die Feststellung, dass die Wirtschaftszahlen enttäuschend sind, kommt nicht nur von den marxistischen Ökonomen und den Leuten, die unter den unendlichen Sparmaßnahmen leiden. Sie kommt von den amtlichsten Stellen. Der Internationale Währungsfonds wurde nach einer Reihe misslungener Prognosen, dass die Erholung bevorstehe, dazu gezwungen, mit Selbstkritiken fortzufahren und festzustellen, dass es ein Problem gibt. Erst jetzt, nach so vielen Jahren, wird die Tatsache als Fortschritt wahrgenommen, dass gleichzeitig Amerika, die EU und Japan positive Vorzeichen haben! Aber auch dann ist die Schlussfolgerung, dass „ das erwartete Wachstum der Weltwirtschaft auf einem Niveau unter dem Durchschnitt der Periode vor der Krise bleibt“. (1)

Die Entwicklung des weltweiten BIP und des internationalen Handels ist enttäuschend.

Die Debatte über die Risiken, dass selbst dieses gedämpfte Wachstum ähnlich wie 2007 Gefahr läuft, durch Spekulationseffekte untergraben zu werden, ist ziemlich weit verbreitet. Nach der Reportage von Babis Michail in der „Efimerida ton Syntakton“(EfSyn):

Die Wirtschaftsnobelpreisträger halten eine neue Weltwirtschaftskrise für unvermeidlich, zumal die Weltwirtschaft sehr an das Geld der Zentralbanken ‚gewöhnt wurde‘ und sie Unvermögen erkennen lässt, allein auf ihren Beinen zu stehen. Die schlausten Köpfe der Weltwirtschaft- die Wirtschaftswissenschaftler, die den Nobelpreis gewonnen haben- treffen sich diese Woche im süddeutschen Lindau zu ihrer sechsten ordentlichen Sitzung. Die deutsche Zeitung ‚Welt‘ bat gestern 18 von ihnen, ihre Bewertung der aktuellen Weltwirtschaftslage darzulegen. Und sie schlugen Alarm“. (2)

Die Tatsache, dass sich das Schulden/BIP-Verhältnis auf internationaler Ebene verschlechtert, war schon 2015 in einem Bericht des bekannten McKinsey-Instituts festgehalten worden. (3) In dem diesjährigen Bericht des Instituts beschäftigt es sich mit den internationalen Kapitalbewegungen zwischen den verschiedenen Ländern und stellt fest, dass sich ihr Umfang auf einem um 65 % niedrigeren Niveau befindet im Vergleich zum Maximum, das sie 2007 auf dem Höhepunkt der Spekulation erreicht hatten. Der Bericht hält die Tatsache für beruhigend, dass der Anteil der Investitionen an diesen Kapitalflüssen gewachsen ist, auch wenn das Gesamtvolumen der Investitionen unter Vorkrisenniveau bleibt. Die Kommentierung des Berichts durch die Financial Times aber weist darauf hin, dass ein großer Teil dieser „Investitionen“ in Wirklichkeit Kapitaltransfers in „Steuerparadiese“ sind: „ ‚Wenn Sie denken, dass ausländische Investitionen nach Luxemburg drängen, um Fabriken zu errichten, dann machen Sie einen Fehler‘, betont Herr Obstfeld (es geht um den Chefökonomen des IWF). ,Ein großer Teil dieses Kapitals stellt Verlagerungen von Gewinnen aus steuerlichen Gründen dar, und das erscheint in der Bilanz als Zufluss von Investitionen‘.“ (4)

Nach so vielen Jahren also und so vielen „Liquiditätsspritzen“ bleibt die wirtschaftliche Lage labil, das billige Geld wird ein Risiko, die Investitionen bleiben zurück, die Ungleichheiten vergrößern sich. Und die Rezepte der bürgerlichen Stäbe zeichnen sich weiterhin durch das aus, was die Alten sagten: „In der Not hustet der Kirchensänger“.

Anlässlich des Jahrestages der zehn Jahre seit Beginn der Krise erinnert Michael Roberts auf seinem Blog an die Verwirrtheit, die ihre Köpfe damals beherrscht hatte. „2002 erklärte der damalige Vorsitzende der US-amerikanischen Zentralbank Alan Greenspan, dass die neuen Finanzprodukte die Streuung der Risiken gewährleistet hätten und deshalb die Schocks leichter aufgenommen würden. Aber 2008, vor dem Kongress, sagte er aus, dass ‚ich mich in einem Schockzustand befinde‘ und das die Dinge, an die er 40 Jahre lang geglaubt habe, schließlich nicht zu funktionieren schienen. Der IWF stellte noch im Oktober 2007 fest, dass ‚ die Wirtschaftsrezessionen in der Nachkriegszeit in den Industrieländern praktisch verschwunden sind‘. Aber der damals zukünftige Chefökonom des IWF erklärte wenig später, dass ‚die Finanzkrise eine potenziell existenzielle Krise für die Makroökonomie hervorruft‘.“ (5)

Die Nachfolger all derjenigen in der Führung der Wirtschaftsinstitutionen, die verschiedenen Draghis und Jellens und ihre Junioren in den anderen Ländern und in Griechenland, finden sich heute nicht in einer besseren Position. Sie sehen aus wie Verwalter, die im Nebel der Krise gehen und wie ihre Vorgänger die nächste Wand nicht sehen können, die sich vor ihnen befinden wird.

Christina Kopsini schrieb 2008 in der Kathimerini über „die, die die Schwedische Akademie von Zeit zu Zeit für die komplexen mathematischen Modelle auszeichnete, die auf den Märkten Anwendung fanden […]

Wie steht es um die Nobelpreise, die in den letzten Monaten vorbeizogen, als sie unendlich viel bei den spekulativen Kapitalbewegungen auszeichneten?

Wirklich, wo sind jetzt diese mathematischen Köpfe, um uns zu sagen, warum die Alarmsysteme in den Modellen von einem Ausbruch einer Gefahr für Geschäfte nicht funktionierten? Warum ging nicht das Alarmlicht an? Warum haben sie nicht die obere oder die untere Grenze der Märkte vorhergesehen, als sie das short selling modellierten, als sie den integralen Bestandteil der Wertpapierleihe (margin) erfanden?

Wirklich, wo sind die Professoren der Wirtschaftsuniversität? Wo sind die Köpfe der Wirtschaftsuniversität Piräus, die so sehr mit den Märkten, der Bankenökonomie und mit den internationalen Programmen in Verbindung standen?

Die griechischen Intellektuellen der Wirtschaftsuniversitäten sollen also sprechen und sollen uns sagen, welchen Charakter die Krise besitzt, wie groß ihr Ausmaß ist und welchen Ausweg es aus ihr gibt.“ (6)

Und jetzt besitzt die Kathimerini die Dreistigkeit, zu behaupten, dass die Dinge laufen würden, wenn Kyriakos Mitsotakis Alexis Tsipras ersetzte…

Die Kosten der Anpassung

Die Nea Dimokratia, darauf hoffend, dass wir all das unter der negativen Erfahrung aus den Kompromissen von Alexis Tsipras vergessen haben, behauptet, dass mit den „Experimenten des ersten Halbjahrs 2015“, mit den Bluffs von Varoufakis und dem Rückstand bei der Annahme der schauderhaften Maßnahmen der zweiten Überprüfung Zeit verloren gegangen sei, und dass all diese Dinge Kosten hätten, die verschwinden würden, wenn sie an die Regierung käme. Die Wahrheit findet sich genau in der entgegengesetzten Richtung: nicht der Widerstand hat einen Preis, sondern die Anpassung an die Memorandumsforderungen.

Das jüngste Beispiel, das diese Realität bestätigt, ist der sogenannte „Ausweg auf den Märkten“, der Ende Juli erfolgte. Was genau geschah schilderte Kostas Lapavitsas sorgfältig in seinem Artikel in der Efimerida ton Syntakton vom 29./30. Juli:

Die Daten der Anleihe, zumindest wie sie bekannt wurden, sind wie folgt. Griechenland schöpfte 3 Milliarden Euro, bei Gesamtmarktangeboten von über 6,5 Milliarden und einer Rendite für die Käufer von 4,625%. Von den 3 Milliarden, die geschöpft wurden, waren etwa 1,6 Milliarden aus dem Austausch von Anleihen, die 2014 mit einem Ablaufdatum Ende 2019 von der Samaras-Regierung ausgegeben worden waren. Die übrigen 1,4 Milliarden waren ‚neues Geld‘.

Bedeutung hat auch, wer die Anleihen gekauft hat. Von den 1,6 Milliarden, die getauscht wurden, kommen fast drei Viertel von der National Bank of Greece, von der Alpha Bank und der Eurobank. Der Rest war im Besitz verschiedener internationaler Fonds und Versicherungsgesellschaften. Von den 1,4 Milliarden des ‚neuen Geldes‘ kamen über 80% von verschiedenen Fonds, die in großer Mehrheit amerikanisch und britisch waren (44 bzw. 26 % der Käufer).

22. August: Flüchtlinge aus Afghanistan protestieren vor dem Ministerium von Mouzalas

Die berüchtigten Anleihenmärkte unterscheiden sich sehr von den Märkten des alltäglichen Lebens. Es geht um einen entsprechend kleinen Kreis von Menschen, die sich für gewöhnlich gegenseitig kennen und direkten Kontakt mit den Politikern und den Vermögenden haben. Diese ‚bereiten‘ die Ausgabe der Anleihen bei ständigem Kontakt und ständiger Beratung ‚vor‘.

Der Erfolg der neuen Emittierung erforderte im Prinzip eine Vorbereitung für den Austausch der Anleihen von Samaras, die sich im Besitz der griechischen Banken befanden. Die Banken werden nicht klagen müssen. Ihre Anleihen wurden zum Preis von 102,60 Euro pro 100 Euro getauscht, sie erhielten also einen Gewinn von 2,6 % auf das, was sie verkauften.

Wenn wir noch die längste Laufzeit (5 Jahre, während für die Anleihen, die umgetauscht wurden, nur zwei Jahre bis 2019 übrigblieben) hinzunehmen, dann war der Gewinn für die Bilanzen der Banken vollkommen unermesslich und überhaupt nicht vernachlässigbar. Die griechische Bevölkerung ist eine höfliche Spenderin, mit der SYRIZA-Regierung als Kopf, die Schmerz empfindet, wenn sie die Memoranden umsetzt.“ (7)

Wir halten also fest: nach ganzen drei Jahren (Frühling 2014/Sommer 2017) mit tragischen Memorandumsopfern „verbesserte“ die SYRIZA-ANEL-Regierung den Zinssatz des Auswegs auf den Märkten, was Samaras und Venizelos um 0,3 % geschafft hatten, womit sie auf den Trampelpfad zurückkehrte. Um bei dieser Rate bei einem Zinssatz auf den Märkten anzukommen, der die griechischen Schulden tragfähig machen wird (also ein Zinssatz gleich der Hälfte der Jahreswachstumsrate des BIP, da die Schulden ungefähr das Doppelte des BIP betragen), wird es weitere dreißig Jahre die Barbarei der Memoranden brauchen. Selbstverständlich ist gar niemand von ihnen in der Lage vorauszusehen, was in dreißig passieren wird, nicht einmal, was in dreißig Monaten geschehen wird.

Der tatsächliche Sinn dieses Schritts war die Verschiebung für manche der Anleihen, die 2019 enden, zumal ab jenem Jahr und danach die Tilgungsraten, die der griechische Staat zahlt, dramatisch abheben: 33 Mrd. 2022, 28,6 2023, 24,5 Mrd. 2024 (2014 waren es ein wenig unter 14 Mrd.). Während sie den Schuldenschnitt ausgeschlossen haben, ist die gemeinsame Politik von Tsipras und der ND die Verhandlung mit den Kreditgebern über die Grenzen der Verschiebung dieser Berge von Tilgungsraten, bei denen ausgeschlossen ist, dass sie bezahlt werden: Kann die Verschiebung mit dem „Ausweg auf den Märkten“ stattfinden oder wird es eine „Regelung“ der Schulden in einem Vertrag mit Herrn Regling vom ESM brauchen? Der Test im Juli hat Tsipras in der gleichen Lage gelassen in der Samaras war, und die Verhandlung wird nach den deutschen Wahlen am 24. September von neuem beginnen.

Der tatsächliche Preis dieser „Verhandlung“ ist noch nicht gezahlt worden, auch wenn Tsipras im Voraus die Rentenkürzungen ab 2019 und die Heruntersetzung des steuerfreien Einkommens, sodass auch die mit den niedrigsten Löhnen Steuern zahlen, durch das Parlament gebracht hat. Der Beginn der dritten Überprüfung wird zeigen, wie hoch der Preis für die Freiheiten der Gewerkschaften sein wird. Der Besuch von Macron zeigt abseits dem Geschwätz von einer „Reform“ der EU die zukünftigen Kosten des nächsten Privatisierungsrunden, zumal der französische Präsident feierlich von den größten multinationalen Konzernen seines Landes begleitet wird. Die bedrohliche Dimension des Titels „Ankunft der Investoren“, den die regierungsfreundliche EfSyn verwendete, wird wahrnehmbar beim Lesen der betreffenden Liste, in der die Suez, die nach dem Wasser von Thessaloniki und Athen jagt, die Energie de France, die dem Öffentlichen Energieunternehmen [DIE, die staatliche Stromgesellschaft Griechenlands, A.d.Ü.] auflauert, der Pharmakonzern Sanofi, der Rüstungskonzern Thales und der Erdölkonzern Total neben Banken, die mit Gelegenheiten wegen der „roten Kredite“ rechnen, eine gute Figur abgeben.

Das Ausmaß und die Intensität des Rechtsrucks von SYRIZA werden ergänzt von den Bildern der Regierungspolitik bei den Flüchtlingsangelegenheiten und den Beziehungen zu den USA. Die Regierung behauptet, dass die Flüchtlingskrise geendet habe und macht weiter bei der Verschlimmerung selbst der unannehmbaren Bedingungen, die sie den Flüchtlingen bis jetzt auferlegt hatte. Die bekannte Perspektive eines Umzugs in EU-Länder erwies sich als Vorwand, jetzt geht die Rückkehr auch derjenigen vor, die in diesen angekommen waren. Zur Familienzusammenführung nicht mal ein Wort. Am 22. August demonstrierten Flüchtlinge aus Afghanistan mit Unterstützung der KEERFA vor dem Ministerium von Mouzalas und anschließend vor den Büros der EU. Ihre Klagen und ihre Forderungen waren vertraut, zumal sie forderten, dass die Abschiebungen zurück nach Afghanistan aufhören, aber sie wiesen auch darauf hin, dass sie Drohungen einer Kürzung sogar ihrer Verpflegung auf den Kasernen“camps“ erhalten, wenn sie protestieren!

Afghanistan ist selbstverständlich kein „sicheres Land“ um Flüchtlinge zurückzuschicken, zumal derselbe Präsident Trump entschied, die amerikanischen Streitkräfte dort mit 4000 Mann zu verstärken. Aber das ist Kleingedrucktes für eine Regierung, die bekennende Trump-Freunde wie Kotzias und Kammenos mit einschließt und in der gar keiner ihrer Minister die Notwendigkeit sah, die offene Unterstützung Trumps von Neonazis, die sich in Charlottesville in Virginia vergnügten, öffentlich zu verurteilen.

Der Rechte Kurs von SYRIZA hat sie so nah an die ND gebracht, dass sich der grüne Sumpf, der mitte-links genannt werden will und Platz zwischen beiden beansprucht, in eine Irrenanstalt verwandelt. Fofi Gennimata, Ragousis, Kaminis und verschiedene andere, die die Führung des betreffenden Zusammenschlusses beanspruchen, wissen buchstäblich nicht, wie sie eine Plattform bilden, die ihnen irgendwelche Abstände gibt. Bezeichnend für die Lage war die Erklärung von Ragousis, dass das Ziel bei den nächsten Wahlen sein müsse, sich als offizielle Opposition gegen eine zukünftige Regierung Mitsotakis einen Namen zu machen! Während der Unterstützer von Fofi, Giannis Koutsoukos, Macht für Mitte-Links beansprucht, also die Durchsetzung einer „nationalen Verständigung“, im Wesentlichen eine Koalitionsregierung mit Beteiligung von ND und SYRIZA, die Leventis von der Zentrumsunion schon lange fordert. Vielleicht finden sie eine passende Lösung für ihr Problem, wenn alle zusammen auf den Führungsanspruch verzichten und einen Appell an Leventis richten, dass er sie übernimmt.

Die Antworten von links

Diese ganze Szene zeigt deutlich die Notwendigkeit für Initiativen, Interventionen und Antworten von links. Mit dieser Herausforderung müssen die Führungen der LAE und der KKE und natürlich ANTARSYA kämpfen.

Die Führung der KKE hat selbstverständlich die größte Verantwortung, zumal sie der Kopf der größten Organisation links von SYRIZA ist. Dennoch bewegt sie sich widersprüchlich. Es gibt Schritte der Öffnung gegenüber den Forderungen der linken Leute, zum Beispiel mit dem Interview von Dimitris Koutsoumpas, in dem er sich positiv auf die Rechte der Transgendermenschen bezog, womit er ältere Positionen ersetzte, die die LGBT-Community und ihre Unterstützer gegen den Sexismus schockiert hatten. Gleichzeitig aber gibt es einen Rückschritt hinsichtlich der extremen Rechtfertigung der Stalin-Zeit. Die Erklärung der KKE zu dem hundertsten Jahrestag der Oktoberrevolution besagte, dass „in dieser Zeit bis zum 2. Weltkrieg in der UdSSR allgemein mit Erfolg der Kampf für die Entwicklung der kommunistischen Produktionspläne, die Abschaffung der Lohnarbeit und die Vorherrschaft des vergesellschafteten Produktionssektors mit der zentralen Planung als Basis geführt wurde.“ Jetzt macht der Rizospastis weiter, wenn er schreibt, dass „die Sowjetmacht unabhängig von den Übertreibungen bei den Verfolgungen in der Zeit von 1936-1938 im Wesentlichen auf die oppositionellen Handlungen antwortete, da die Ziele der Andersdenkenden und des deutschen Imperialismus übereinstimmten“. (8) Mit anderen Worten: Die Zeitung der KKE hält die alten Bolschewiki, die Stalin tötete, alle für Agenten der Deutschen!

Kundgebung bei der IMT 2016

Man könnte nun sagen, dass es für die gemeinsame Aktion der Linken keine Voraussetzung sei, die gleiche Ansicht zu den 1930er-Jahren in der UdSSR zu haben. Doch die Führung der KKE bleibt dabei, ANTARSYA und LAE als Opportunisten zu brandbarken, die bürgerlichen Plänen dienten, mit der gleichen Unbeschwertheit, mit der sie die stalinistische Anschuldigung akzeptiert, dass Sinowjew, Bucharin und Trotzki Agenten der Nazis gewesen seien! Der Bruch mit dieser sektiererischen Konfrontation ist in der Tat nötig.

Das heißt nicht, dass die anderen Kräfte der linken Opposition darauf warten müssen, dass sich die Führung der KKE bewegt. Wenn es Initiativen gibt, die mächtige Teile der Arbeiterklasse in Bewegung setzen, werden alle Führungen der Linken dazu gezwungen, sich dazu zu verhalten. In den Tagen des Streiks bei den Gemeinden Anfang Sommer lief die PAME mit allen Streikenden, womit sie die Taktik der getrennten Versammlungen aufgab. Entsprechend fand sich die vereinte Linke auf gemeinsamen Demonstrationen in Perama, bei Oreokastro, bei Peristeri, als sich die Front der Auseinandersetzung mit den Versuchen der extremen Rechten, den Zugang der Flüchtlingskinder zu den Schulen zu verhindern, eröffnete. Solche Initiativen bilden den Schlüssel für weitere Fortschritte.

Es gibt den Spielraum für solche Bewegungen: Die Resonanz ist zweifellos positiv. Auch die Meinungsumfragen zeigen, dass die linken Leute, die SYRIZA gewählt hatten und durch den Regierungskurs verraten wurden, nicht nach rechts gerückt sind. Deshalb suchen außerdem die Stäbe der ND ständig nach Wegen, die Linke anzugreifen, wie sie es aus Anlass des Kongresses „für die Opfer des Nazismus und des Stalinismus“ in Estland taten. (9) Sie fürchten, dass sich der Drang der Leute fortsetzt, die sich nach links gewendet haben und SYRIZAs Wahlerfolg 2015 herbeiführten, und dass sie jetzt die Linke über SYRIZA hinaus erkundet. Sie fürchten auch den Einfluss, den das Entstehen von gewaltigem Widerstand der Bewegungen gegen Trump und seine Neonazifreunde in den USA haben kann.

Können wir gemeinsam handeln, wie wir es für die Flüchtlingskinder und die Vertragsbediensteten der Gemeinden waren? Selbstverständlich können wir uns auf der Straße zusammenfinden, damit sie die „Büros“ der Goldenen Morgenröte schließen, wozu die betreffende Initiative aufruft, (10) selbstverständlich können wir eine Streikbewegung gegen die Bedrohungen der dritten Überprüfung für die Rechte der Gewerkschaften anregen.

Wie die Arbeitersolidarität schrieb: „Alexis Tsipras weiß, dass sich im Mittelpunkt der dritten Überprüfung durch die Troika ihre Forderungen nach einer Beschränkung der Rechte der Gewerkschaften befindet, wie zum Beispiel, dass eine Mehrheit von 50%+1 der Beschäftigten eines Arbeitsplatzes gebraucht wird, damit die Gewerkschaft den Entschluss für einen Streik fassen kann, dass also kein Streik stattfindet mit einem Entschluss der Mehrheit des Verwaltungsrats der Gewerkschaft oder der Mehrheit in der Generalversammlung. Zusammenarbeit mit Macron bedeutet, dass die Regierung diese Forderungen im Voraus akzeptiert.

Es führt nichts daran vorbei, einen Streikaufstand gegen all das aufzubauen, ähnlich wie die Streikwelle unserer Kollegen in Frankreich gegen die ‚Reform‘ von Hollande letztes Jahr und von Macron heute.“ (11) Sicher fordern wir das von den Führungen aller Kräfte der linken Opposition.

Die Führung der Volkseinheit ergriff im Sommer die Initiative, ein Fest zu organisieren, das sie Unity festival nannte. Die Bezeichnung deutete auf den Anklang hin, den die Forderung nach Einheit in der Aktion hat. Dennoch beschränkte sich das Spektrum auf die Kräfte, mit denen die LAE bei den Wahlen im September 2015 zusammengearbeitet hatte und die anschließend wie der Kurs der Freiheit von Zoi Konstantopoulou ihre eigenen Wege gegangen sind. Die Selbstbeschränkungen der LAE aber machen aber die Notwendigkeit noch zwingender, dass ANTARSYA übernimmt.

Die letzte Sitzung des Gesamtgriechischen Koordinationsorgans von ANTARSYA konnte nicht mit einem Beschluss enden, und das hat die Diskussion auf dem Gebiet der nächsten nötigen Schritte eröffnet. Das ist eine Gelegenheit, um sich entschlossener auf alle diese Aufgaben zu orientieren. Gemeinsame Initiativen von ANTARSYA haben eine noch größere Bedeutung, zumal sie die Frontorganisation mit den klarsten Vorschlägen für den antikapitalistischen Ausweg aus der Krise ist. Jeder ihrer Schritte nach vorn eröffnet mehr Platz für die Ideen und das Programm des großen Umsturzes, dort, wo die gesamte Bewegung der Leute, die sich beständig widersetzen, ankommen kann und muss.

Fußnoten:

  1. http://www.livemint.com/Industry/aX59TrzyhLG1sOTtcS 5e8I/IMF-keeps-India-growth-unchanged-at-72-in-FY18-and-77-in.html.

  2. http://www.efsyn.gr/arthro/tzanki-tis-reystotitas-i-pagkosmia-oikonomia.

  3. In diesem Zusammenhang siehe den Artikel „Jahr acht der Schuldenkrise” von Panos Garganas in der Zeitschrift Sozialismus von unten, Nummer 110, Mai/Juni 2015, http://socialismfrombelow.gr/article.php?id=769.
  4. Financial Times, 22 August, https://www.ft.com/content/ade8ada8-83f6-11e7-94e2-c5b903247afd.

  5. https://thenextrecession.wordpress.com/2017/08/.
  6. Es wird auf den Artikel „Börsenkrach- Jenseits des Neoliberalismus“ in der Zeitschrift „Sozialismus von unten“, Nummer 71, November/Dezember 2008 Bezug genommen: http://socialismfrombelow.gr/article.php?id=628.
  7. http://www.efsyn.gr/arthro/ti-dilonei-i-exodos-stis-agores.
  8. http://www.rizospastis.gr/story.do?id=9479179
  9. Siehe in diesem Zusammenhang die Arbeitersolidarität Nummer 1288, 30 August 2017.
  10. http://www.antiracismfascism.org/index.php/2015-07-16-09-37-48/item/2213-tessera-xronia-apo-ti-dolofonia-tou-paylou-fyssa-ena-mina-apo-ti-dolofonia-tis-xeder-xagier-stis-ipa-antifasistiki-poreia-savvato-16-septemvri-syntagma-6mm.

(11) http://ergatiki.gr/article.php?id=16764&issue=1288.

Ein Beitrag von Panos Garganas, Herausgeber der Zeitung Arbeitersolidarität und führendes Mitglied der Sozialistischen Arbeiterpartei (SEK), die Teil des antikapitalistischen Parteibündnisses ANTARSYA ist. Der Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift Sozialismus von unten. Übersetzt wurde er von Angelo Treichel.

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