Am 28. Juni diesen Jahres bekamen die Schülerinnen und Schüler des Ernst-Barlach-Gymnasiums in Castrop-Rauxel ihre Abiturzeugnisse überreicht, unter ihnen auch eine palästinensische Schülerin, die bei der Zeugnisübergabe die Fahne Palästinas über den Schultern trug. Dieses Zeichen der Solidarität mit den leidenden Menschen in Gaza, nutzt die örtliche CDU nun um die Schülerin namentlich zu diffamieren und zu kritisieren, dass sie nicht von ihrer eigenen Abifeier geschmissen wurde.
In einer Anfrage der CDU-Fraktion, die im Namen ihres Vorsitzenden, des CDU-Bundestagsabgeordneten Michael Breilmann, an den Bürgermeister in Castrop-Rauxel gerichtet wurde, heißt es: „irritiert und entsetzt hat die CDU-Fraktion Kenntnis von der absolut inakzeptablen Instrumentalisierung der EBG-Abiturfeier am 28. Juni 2024 durch eine gezielte politische Provokation einer Abiturientin genommen“. Inwiefern das Zeigen der Fahne des Heimatlands und die Bekundung von Solidarität mit den Menschen in Palästina eine Instrumentalisierung darstellt erläutert die CDU-Fraktion nicht.
Doch bei der Empörung bleibt es nicht, viel mehr stellt die CDU 7 Fragen an den Bürgermeister, darunter die folgende: „Ist die betreffende Schülerin (Name von der Redaktion unkenntlich gemacht“ bereits im Vorfeld der Veranstaltung, insbesondere nach dem 7. Oktober 2023, durch propalästinensischen Aktivismus im Unterricht oder im Umfeld der Schule auffällig geworden?“ Die CDU suggeriert damit das propalästinensischer Aktivismus etwas schlechtes sei, eine Aussage, die so bei Aktivismus für andere Menschen sicher nicht geäußert worden wäre. Die Veröffentlichung des Namens der Schülerin durch die CDU-Fraktion ist ein mindestens fragwürdiger Umgang mit Privatsphäre der Abiturientin.
Keine Glückwünsche für Palästinenser
Noch weitergehender sind die Anregungen der CDU was der Bürgermeister und der Schuldirektor hätten tun sollen: „Warum haben der Schulleiter und der ebenfalls anwesende Bürgermeister die Schülerin beim
Schwenken der palästinensischen Fahne gewähren lassen, die Aktion nicht nur nicht unterbunden,
sondern ihr anschließend sogar noch die Hand gegeben?“ Die CDU suggeriert also, dass man einer Schülerin nicht hätte die Hand geben sollen, weil sie Flagge ihres Heimatlands getragen hat. Diese Art der Ausgrenzung von Palästinenserinnen und Palästinensern und der Darstellung ihrer Flagge als etwas Ausgrenzungswertes, stellt einen neuen Tiefpunkt der Stimmungsmache gegen Palästinenser dar.
Die CDU-Fraktion ist allerdings nicht nur der Meinung, dass der Schülerin nicht zum Abitur hätte gratuliert werden sollen: „Warum haben sich Schulleiter und Bürgermeister nicht noch während der Veranstaltung öffentlich von der Aktion distanziert, der Schülerin coram publico eine Rüge erteilt und sie des Saales verwiesen?“
Nach Ansicht der CDU-Fraktion in Castrop-Rauxel stellt also das Tragen der palästinensischen Fahne einen derartigen Skandal dar, dass man eine Schülerin von ihrer eigenen Abiturfeier hätte verweisen und sie damit von der gesamten Schule ausgrenzt.
Der CDU-Fraktion in Castrop hätte aber selbst der Rauswurf der Schülerin auf ihrer eigenen Abiturfeier nicht gereicht: „Wie ist im Nachgang mit der Schülerin verfahren worden? Sind Helfershelfer, etwa der oder die für das Video Verantwortlichen ermittelt und zur Rede gestellt worden?“ Wie im Nachgang damit verfahren worden sein soll, erläutert die CDU nicht, denn ein Nachgang dazu ist schwer vorstellbar, da die Schülerin keinerlei strafbare Handlung begangen hat, im Gegenteil sie hat die Fahne eines Landes hochgehalten, für dessen Unabhängigkeit sich Deutschland immer wieder ausspricht, wenn auch bisher ohne Anerkennung.
Antipalästinensischer Rassismus
Fotis Matentzoglou, Mitglied des Integrationsrat der Stadt Castrop-Rauxel, ordnet im Gespräch mit der Redaktion das Agieren der CDU ein: „Es gibt absolut keinerlei kritikwürdiges Verhalten der Schülerin, die sich mit ihrem Heimatland, in dem seit fast 11 Monaten Krieg herrscht und über 40000 Menschen getötet wurden, solidarisiert. Kritikwürdig ist das Verhalten der CDU in Castrop-Rauxel, die es richtig gefunden hätte, wenn eine Schülerin, die sich für Frieden und Freiheit einsetzt von ihrer Zeugnisübergabe geschmissen worden wäre. Eine solche Forderung wäre niemals geäußert worden, wenn es sich um eine ukrainische, eine französische oder eine israelische Flagge gehandelt hätte, bei Palästinenserinnen dagegen scheint Ausgrenzung für die CDU kein Problem zu sein. Die CDU sollte dringend ihre antipalästinensische Haltung hinterfragen und sich mit dem Leid der Palästinenser auseinandersetzen.“