What’s Love Got To Do With It – Zwischen Fremdscham und Orientalismus

Mit What’s Love Got To Do With It, der neuen Romantikkomödie mit Lily James und Emma Thompson von Regisseur Shekhar Kapur erwartet man eine Neuheit unter den kitschigen Romanzen. Das Thema von arrangierten Ehen in muslimischen Familien erscheint ein bisher wenig benanntes Motiv in der Sphäre der Liebesbeziehungen zu sein. Schon in den ersten Sekunden stellt sich die deutsch synchronisierte Fassung als ein Fehlgriff heraus. Die penetrant überdrehten Synchronstimmen und schlecht gewählten Übersetzungen sind einfach nervenaureibend falsch und anstrengend.

Die gesamten 109 Minuten, die Szenen, Dialoge und Erzählstränge waren so überzeichnet, dass der Film schlichtweg ein einziger großer Fremdschäm-Moment war. Bereits nach fünf Minuten wird klar, welche Protagonist*innen am Ende zusammenkommen. Da dies durchaus häufig bei diesem Genre der Fall ist, war es zunächst nichts Neues. Doch der Weg zu diesem finalen Zusammenkommen war ein Zusammenspiel von Fetischisierung und Orientalisierung von mehrheitlich arabischen Gesellschaften mit ihren Traditionen.

Die Protagonistin Zoe, die eng mit dem Nachbarsjungen Kaz aufgewachsen ist, fällt aus allen Wolken, als er sich dazu entscheidet, seine Eltern nach einer Frau für ihn suchen zu lassen. Es brauche doch Leidenschaft, einen Klick-Moment oder Liebe auf den ersten Blick. Dies könne eine arrangierte Ehe doch keinesfalls geben. Anstatt die Entscheidung ihres Freundes zu akzeptieren, redet sie ihm wiederholt ein, dass dies keine Zukunft habe. Sie setzt sich erst damit auseinander, als sie sich notgedrungen dazu entscheidet, über den Prozess seiner Ehefindung einen Dokumentarfilm zu drehen, da ihre eigentliche Filmidee von ihren Produzenten abgelehnt wurde.

So überzeugt sie nun ihren Freund davon, ihr zu erlauben, dieser “exotischen” Tradition seiner Kultur mit einer Kamera zu folgen. In allen Interviews, Unterhaltungen und Dialogen klingt ihre Skepsis durch. Obwohl sie allem Anschein nach mit der Kultur ihres Freundes und dessen Familie aufgewachsen ist, scheint sie derer Traditionen, Werte und religiösen Praktiken komplett ignorant zu sein, beziehungsweise eine sehr orientalistische Sicht auf diese zu haben. Seine Eltern, Großeltern und sein Bruder berichten von ihren Erfahrungen mit arrangierten Ehen, die allesamt nicht komplett erfüllt zu sein scheinen. Nur durch Zoes Fragen allerdings kann das Ergebnis dieser Interviews nur negativ auffallen. Wird wiederholt nach Klick-Momenten, Liebe vor der Hochzeit und Ähnlichem gefragt, misst dies das Konzept der arrangierten Ehe mit westlichen, weißen Standards. Alles, was nicht dem weißen, westlich geprägten Liebeskonzept entspricht, kann schlicht und ergreifend nicht funktionieren oder auch nur verstanden werden.

Als Kaz’ Familie in Pakistan seine zukünftige Braut kennenlernt und sich die Feierlichkeiten vollziehen, stellt sich heraus, dass sie um einiges weniger traditionell ist als Kaz. Dieser Versuch zu zeigen, dass Tradition nichts mit der Herkunft und der Heimat zu tun hat, ist jedoch auch kläglich wenig ernstzunehmen. Ist Autonomie wirklich ein Alkoholexzess bei der eigenen Hochzeit? Ist es das Rauchen eines Joints? Weder noch. Nicht nur, dass es schlicht und ergreifend unrealistisch ist, dass dies in einem muslimisch geprägten Land bei einer öffentlichen, religiösen Veranstaltung passiert, es drückt auch keinen wichtigen Punkt aus.

Während Zoe den Hochzeitsfeierlichkeiten in Pakistan beiwohnt, scheint es, als würde sie endlich in der Lage sein, ihre Perspektive zu wechseln. Doch die vermeintliche Lehre, die sie zieht, ist, dass arrangierte Ehen ein sicherer Weg zu einer soliden, mittelmäßigen Ehe sind. Ganz von den unglücklichen Szenen von Zoes Mutter, die respektlos und unpassend inmitten jeglicher muslimischer Festlichkeiten agiert, abgesehen, verhalten sich beide Frauen wie Elefanten im Porzellanladen. Für Zoes Mutter scheinen die Feste eine Art “orientalische” Attraktion zu sein, sodass sie komplett taktlos bei traditionellen Tänzen ungefragt mitmacht, oder sich schamlos betrinkt, oder sogar eigenen Alkohol mitbringt.

Einen vermeintlichen Lichtblick gibt Zoes kurze Phase der Realisation, dass sie auch ohne einen Mann an ihrer Seite glücklich sein könnte und auch nicht unbedingt Kinder haben muss. Dieser kurze Moment der vermeintlichen Emanzipation findet ein jähes Ende, als sie sich letzten Endes doch für eine Beziehung mit dem Tierarzt entscheidet, den ihre Mutter so toll findet. Als dieser mit ihr Schluss macht, da er merkt, dass er nicht die erste Wahl ist, ist sie wieder verloren. Auch Kaz trennt sich von seiner Frau, die bereits in einen anderen verliebt ist. Bottom-line: Beide scheinen ohne eine Partnerschaft keine volle Person zu sein.

Als Krönung des Films wird Eid, das Ende des Ramadan, bei Kaz’ Familie gefeiert. In ihrem nun veröffentlichten Film hat Zoe auch Kaz’ verstoßene Schwester interviewt, die mit einem nicht-muslimischen Mann durchgebrannt ist. Kaz, nun da er getrennt ist und der Familie potenziell auch Schande bringt, entscheidet sich nun, alle Geheimnisse groß preiszugeben. Ja, er sei Raucher, getrennt und habe eine Überraschung. Natürlich ist seine verlorene Schwester diese Überraschung. Mit offenen Armen werden sie, ihr Mann und ihr Kind angenommen. So schön dieses Idealbild ist, genauso unrealistisch ist es. Sollten solche Werte in einer konservativen Familie, egal welchen Glaubens und welcher Herkunft, so stark verankert sein, wird so etwas schlicht und ergreifend nicht passieren. Schlussendlich küssen sich Kaz und Zoe im Baumhaus ihrer Kindheit, versprechen sich, es langsam angehen zu lassen, und führen den wohl unangenehm kitschigsten Dialog der Filmgeschichte.

Als endlich der Abspann läuft, schreit Emma Thompson noch ein überdrehtes Inshallah in die Kamera und brabbelt vor sich hin. Dieser Moment ist ein Sinnbild für den kompletten Film: Eine weiße Frau, die weder Arabisch spricht noch an Allah glaubt, meint sich besser mit dem Islam und seinen gelebten Traditionen auszukennen. Somit steckt sie die Nase in die Angelegenheiten ihrer Freund*innen, sobald sie nicht ihren westlich-christlich geprägten Standards entsprechen.

Am Ende des Tages bleibt dieser Film eine emanzipationslose Romanze, die alles andere als Kulturverständigung bringt. Hier werden keine Stereotype abgebaut, sondern noch weiter in die orientalistischei Sichtweise westlicher Länder auf Kulturen der WANA-Regionii einbetoniert. Wieso gibt es diese kontinuierliche Faszination, die Traditionen, Kulturgüter und Rituale von nicht-weißen, nicht-säkularisierten oder nicht westlich geprägten Kulturen gegen andere aufzuwiegen? Was ist so schlimm daran, wenn sich zwei Menschen für eine arrangierte Ehe entscheiden? Sollten sie nicht in ihrer Entscheidung ernst genommen werden? Gerade als weiße Person im Umfeld sollte man sich solidarisch und unterstützend verhalten. Manche Dinge mögen auf den ersten Blick für einige nicht verständlich scheinen, haben jedoch trotz allem ihre Daseinsberechtigung. Verallgemeinerungen von (nicht-)arrangierten Ehen und Partnerschaften im generellen Sinne limitieren deren Facetten, die so divers sind wie die Menschen, die sie eingehen. Das sollte sich das Filmteam rund um Regisseur Shekhar Kapur und die Produzierenden vor Augen führen.

Vielleicht hätte es ihnen gut getan, vorerst Orientalismus von Edward Said zu lesen.

Von Elena Eßer.

Anmerkungen

i Orientalismus ist ein von Edward Said geprägter Begriff, der den eurozentrischen Blick auf Kulturen der WANA-Region beschreibt.

ii WANA-Region: West Asia, North Africa

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