Seit 2009 werden die Rohingya im Zusammenhang mit Bootsflüchtlingen gelegentlich auch in unseren Medien erwähnt. Nur wenige wissen, dass es sich hierbei um die weltweit am meisten verfolgte Minderheit handelt. Wie in den vergangenen Tagen auffälliger berichtet, verweigern die Länder Südostasiens die Aufnahme der Rohingya, indem sie die mit Menschen überladenen Frachter zurück aufs offene Meer schicken. Im Folgenden wird die Thematik der Rohingya in den Kontext ost- und südostasiatischer Flüchtlingspolitik eingebettet und versucht einen Einblick in die Thematik zu geben.
Weltweit befinden sich 45,2 Millionen Menschen auf der Flucht. Das UNHCR stuft darunter im Raum Südostasien, Ostasien und Pazifik mehr als 2.75 Millionen Menschen als „people of concern“ ein, worunter explizit Refugees, AsylbewerberInnen, Staatenlose und IDPs (Binnenflüchtlinge, engl. internally displaced persons) gemeint sind. Das entspricht ganzen 6% weltweiter „people of concern“, die allein aus dem Raum Ost- und Südostasien stammen. Um noch präziser zu sein sind 1,4 Millionen Menschen staatenlos, 750.000 Refugees und 500.000 IDPs. Die meisten Geflüchteten stammen aus den beiden Ländern Myanmar (480.000) und Vietnam (300.000) 1. Zahlenmäßig weitaus weniger, aber dennoch wichtig zu beachten, sind die vielen Refugees aus Indonesien, Kambodscha, Laos und Philippinen. Die seit Jahren am stärksten Zuflucht gewährenden Staaten sind Thailand, Malaysia und Indonesien.
Gründe für die massiven Fluchtbewegungen in Südostasien sind sehr unterschiedlich und fallen in vielen Fällen regional und zyklisch zusammen. Es sind die religiösen Verfolgungen, Hungersnöte, Naturkatastrophen sowie politische Konflikte und Unterdrückung, welche Menschen in die Flucht zwingen. Besonders prekär ist die direkte und indirekte Staatenlosigkeit der Rohingya, die zum Teil seit Generationen in Burma leben, von der Regierung und den Behörden aber als illegale Migranten gebrandmarkt und diffamiert werden. Auch die Ablehnung der in Burma geborenen, aufgewachsenen und lernenden Kinder der Rohingya reproduziert die Staatenlosigkeit. Ein Teufelskreislauf, der sogar rechtmäßig im „Burmese Citizenship Law“ von 1982 verankert ist. Darin werden die Rohingya nicht als eine der 135 gesetzlich ethnischen Gruppen anerkannt und sind damit von jeglicher Form burmesischer Staatsbürgerschaft ausgeschlossen. Dies legt den Grundstein für die anhaltende Diskriminierung, Verfolgung und gesellschaftliche Exklusion.
Wer sind die Rohingya?
1,3 Millionen Rohingya leben in Myanmar, vor allem in der Provinz Rakhine, welche sich an der Grenze zu Bangladesch befindet. Sie sind Muslime, die vom noch andauernden Demokratisierungsprozess in Burma völlig ausgeschlossen werden. D.h. sie haben weder das Recht auf Staatsangehörigkeit, noch auf Teilnahme an Wahlen. Zudem werden sie bei der Volkszählung ausgelassen. Der Präsident Thein Sein fordert die Begrenzung der Anzahl ihrer Kinder und die Rückdeportation nach Bangladesch. Radikale Buddhisten gehen seit Jahren gewalttätig gegen Rohingyas vor, brennen Dörfer nieder und erzwingen somit ein Leben in Notunterkünften für viele Betroffene.
Flächendeckend ist die Flüchtlingspolitik Südostasiens das desolate Erzeugnis von wirtschaftlicher Schwäche und insularer Fragmentierung2 (d.h. Isolation und räumliche Trennung der Inseln). Es gibt praktisch keine grenzüberschreitenden Reglements zur Sicherung von Grundbedürfnissen, medizinischer Hilfe oder Bildungsmöglichkeiten für Geflüchtete. Hinzu kommen die noch immer herrschenden Diktaturen oder anderen Formen gewaltsamer und korrupter Regierungen hiesiger Staaten, deren wirtschaftliches Eigeninteresse kein Platz für humanitäre Hilfe lässt. Im Laufe des globalen Entwicklungsprozesses wird sich dies allerdings massiv ändern müssen. Dafür sprechen z.B. Freihandelsabkommen (TPP) und die starke Intensivierung von Arbeitsmigration. Die Notwendigkeit einer funktionierenden und menschenrechtsachtenden Politik zum Schutz von sowohl wirtschaftlichen als auch politischen Flüchtenden ist somit unumgänglich.
Abgesehen von der Tatsache, dass die Unterscheidung zwischen wirtschaftlicher, also sog. „freiwilliger Flucht“ und Flucht aus Gründen politischer, religiöser und ethnischer Verfolgungen in keinster Weise festgehalten, geschweige denn geprüft wird, erschwert dies die Errichtung entsprechender Regulationen zum Schutz der Refugees. Es gibt allerdings Verbände, wie z.B. die internationale Organisation ASEAN (Association of South-East Asian Nations), die eine wirtschaftliche, politische und soziale Zusammenarbeit südostasiatischer Staaten anstrebt, sowie sich den Sicherheits-, Kultur- und Umweltfragen stellt. Aber auch diese scheitern an der Inkludierung humanitärer Hilfskampagnen für politisch- und ethnisch verfolgte Minderheiten. Solidarität und offene Türen bestehen nämlich nur, wenn es sich um wirtschaftliche Vorteile für die jeweiligen Länder handelt.
Es gibt nur sehr wenige und begrenzte institutionelle Kräfte, die sich speziell um die Verantwortung gegenüber „people of concern“ bemühen, dennoch tragen diese Wenigen einen bedeutenden Beitrag zur Zivilgesellschaft bei. Beispielsweise fungiert das Asia Pacific Rights Network als nicht wegzudenkender Akteur, welcher sich für die persönlichen Rechte Asylsuchender, Informationstransparenz und Strategien zum Kapazitätsaufbau für die Aufnahme von Geflüchteten einsetzt. Ein Versuch die Stärken beider Organisationen zu fusionieren, scheiterte allerdings wiederholt an nationalen Egoismen der einzelnen Staaten. Zwar entwickelten sich die binnenländischen Rahmenbedingungen für Migration, jedoch verfehlte man die Notwendigkeit der Etablierung eines grenzübergreifenden Komitees, welches Standards humanitärer Unterstützung organisiert und durchsetzt.
Was heißt das also? Die Rohingya sind als weltweit am meisten verfolgte und staatenlose ethnische Minderheit ein weiteres Beispiel für die Missachtung von Menschenrechten und den global fehlenden Zusammenhalt aller Nationen. Allerdings müssen wir beachten, dass wir von Schwellenländern sprechen, deren Großteil der Bevölkerung selbst unter notleidenden Bedingungen um ihre Existenz kämpft. Der Fingerzeig des globalen Nordens und seine scheinheilige Genfer Flüchtlingskonvention, präsentieren sich in diesen Tagen wieder als besonders heuchlerisch und bestätigen ein weiteres Mal die europäische Arroganz gegenüber anderen wirtschaftlich unterlegenen Staaten. Die Schiffe an den Küsten Südostasiens wieder zurückzuschicken ist grausam. Sich als europäische Spaß- und Konsumgesellschaft allerdings über die Fehler der Schwachen zu ergötzen, ist um ein vielfaches menschenverachtender. Stattdessen werden kollektiv die Arme verschränkt, wenn es um den Vorschlag geht humanitäre Hilfe statt Journalisten zu schicken. Und vielmehr noch, trägt die jahrelange europäische und U.S. amerikanische Ausbeutung der billigen Arbeitskräfte nicht dazu bei, dass Malaysia, Indonesien und Thailand keine Zuflucht gewähren können? Mit einem gegenwärtigen Lohn von weniger als 1 Euro pro Stunde3 und einem Leben am Existenzminimum vieler Arbeiter, sollten wir die Ursachen für die Flüchtlingsströme in Südostasien im ausbeuterischen System des globalen Nordens suchen.
[1]1Damit sind die indochinesischen Bootsflüchtlinge nach 1975 gemeint. Von den 1,6 Millionen Bootsflüchtlingen sind 300.000 VietnamesInnen nach China geflüchtet und leben dort de jure unter dem Schutz der chinesischen Regierung.
2 Der Begriff wird von Victor Liebermann in „Strange Parallels Vol. 1“ verwendet und beschreibt die räumliche Splittung Südostasiens durch die zahlreichen Inselgruppen. Die maritime Trennung verhindert alternative, kostengünstigere Handelswege und schränkt damit u.a. Wirtschaftsbeziehungen ein.
3 Durchschnittlicher Lohn in der Bekleidungsindustrie
Ein Gastbeitrag von Susann Pham Thi, Asienwissenschaften HU Berlin. Deutschlehrerin in Berliner Asylunterkünften und Gründerin der Initiative ‚SolidariGee‘.
Quellen:
2015 UNHCR subregional operations profile – South-East Asia http://www.unhcr.org/pages/4b17be9b6.html
Kirsten McConnahie – Forced Migration in South-East Asia and East Asia. The Oxford Handbook of Refugee and Forced Migration Studies 2014
https://www.academia.edu/12401603/Forced_Migration_in_Southeast_Asia_and_East_Asia
http://lohnzumleben.de/wp-content/uploads/2014/04/Wahlaufruf-EU2014_LoehneinderglobalenBekleidungsindustrie_CCC.pdf
http://www.rohingya.org/portal/
2 Antworten
https://sites.google.com/site/staatenloseinbuergerung
http://staatenlos.de.be
Staatenlose in Deutschland
ist deren problem, sollen sie eben für ihre rechte kämpfen. die länder südostasiens haben ein recht darauf, ihre grenzen zu schützen.